Personalentwicklung

Die Bausparkasse Schwäbisch Hall begegnet dem demografischen Wandel mit verschie­de­nen strategischen Ansätzen und Maßnahmen. Dazu zählt ein wissenschaftlich fundierter, ganzheitlicher Prozess in der Organisationsentwicklung, der zur dauerhaften Stärkung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter beiträgt.

Die Ausgangslage war fordernd: Zum einen führte die demografische Entwicklung zu einer längeren Betriebszugehörigkeit und einem steigenden Altersdurchschnitt der Schwäbisch Hall-Mitarbeiter in den kundenbetreuenden Einheiten, zum anderen empfanden sie die Arbeit beziehungsweise Arbeitssituation zunehmend als belastend. Das schlug sich auch in einer überdurchschnittlich hohen Krankheitsquote nieder. Dies war für den Vorstand der Bausparkasse Schwäbisch Hall 2013 der Anlass, einen zwei Jahre dauernden Prozess anzustoßen, der sich mit der Bewältigung der „Herausforderung Arbeitsbelastung“ auseinandersetzte.

Das Ergebnis heißt „Balance leben“. Dabei geht es um einen umfassenden Ansatz zum nachhaltigen Stärken der Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter, der das betriebliche Gesundheits­management integriert und wichtige Beiträge liefert, um die Belastungen und Ressourcen im gesamten Unternehmen auszubalancieren. Dadurch entstehen geeignete Voraussetzungen, um Gefährdungs­potenziale frühzeitig zu erkennen und anzugehen und so langfristig gesunde und leistungsfähige Mitarbeiter und Organisationseinheiten sicherzustellen.

Theoretische Modelle als Grundlage

Zu Beginn des Projekts erprobten einzelne Piloteinheiten sinnvolle Herangehensweisen an das Thema „Arbeitsbelastung“. Mitarbeiter und Führungskräfte entwickelten in Workshops eine gemeinsame Antwort auf die Frage „Was ist eigentlich Arbeitsbelastung konkret für uns – und wie können wir ihr begegnen?“. Ziel war es im ersten Schritt, ein Vorgehen zu finden, das die wesent­lichen Ursachen der empfundenen Arbeitsbelastung identifiziert, zugleich aber die komplexen Zusammenhänge nicht zu stark vereinfacht. Zwei Modelle erwiesen sich dabei als nützlich:

  • die Belastungs-Ressourcen-Waage und
  • das Person-Situation-Organisation-Modell (PSO-Modell) des Instituts für Arbeitspsychologie und Arbeitsmedizin (IAPAM).

Belastung ist nicht gleich Beanspruchung

Die Belastungs-Ressourcen-Waage führt plastisch vor Augen, um was es geht: Belastungen oder Anforderungen werden erst dann zu einem Problem, wenn sie nicht mit adäquaten Ressourcen aufgefangen oder bewältigt werden können. Zu den Ressourcen zählen dabei nicht nur die Stellen und Kapazitäten, sondern zum Beispiel auch die verfügbare Technik, die funktionierenden Prozesse und die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Kollegen. Anders formuliert: Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, können auch hohe Belastungen und Anforderungen positiv und motivierend wirken. Dem gegenüber gilt: Auch wer mehr kann, als er darf – also unterfordert ist trotz großer Ressourcen – ist dauerhaft unzufrieden (Grafik 1).

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Diese Betrachtungsweise führte zur Erkenntnis, dass Menschen und Teams durch eine Reduktion der Arbeitsbelastung nicht automatisch gesund und leistungsfähig bleiben. Vielmehr geht es neben der Vermeidung einer dauerhaften einseitigen Überlastung um eine ausgewogene Gestaltung der Anforderungen und Ressourcen.

Direktes Arbeitsumfeld wichtig

Beim Identifizieren der konkreten Stellschrauben im Arbeitsumfeld, mit denen die Waage der Ressourcen und Belastungen ausba­lan­ciert werden kann, helfen Erkenntnisse aus der Arbeitsmedizin und der Organisations­psychologie. Das Person-Situation-Organisation-Modell führt diese Erkenntnisse nachvollziehbar zusammen. In der praktischen Anwendung des Modells zeigte sich: Die Stellschrauben sind nicht neu, aber erst das Erkennen der vielfältigen Wechselbeziehungen führt zu einer wirklich ganzheitlichen Betrachtung der Arbeitsbelastung. Wesentliche Ursachen für die subjektiv empfundene Arbeitsbelastung in einem Team können damit identifiziert, strukturiert und gemeinsam bearbeitet werden (Grafik 2).

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Intensiver Dialog als Erfolgsfaktor

Ein einheitliches Verständnis der Zusammenhänge von Belastung und Ressourcen ist für ein erfolgreiches Bewältigen der Arbeitsbelastung nötig, wenngleich die damit verbundene Diskussion darüber „Was trage ich selbst zur Veränderung der Teamsituation bei?“ von den Teilnehmern der Pilotphase mitunter als unangenehm empfunden wurde. In vielen Teams führte sie auch zu einem Überprüfen der eigenen Haltung: „Wer ist im Unternehmen eigentlich für die Gesunderhaltung verantwortlich?“

Um die maximale Wirkung zu erzielen, führte jedes Kundenbetreuungs-Team einen Workshop zur „Herausforderung Arbeitsbelastung“ nach dem jeweils gleichen Vorgehensmodell mit einem speziell dafür qualifizierten Moderator der Weiterbildungstochter Schwäbisch Hall Training GmbH der Bausparkasse durch. Die übergeordnete Frage in den Workshops lautete: „Was können wir konkret tun, um bei mir und bei uns die Belastungen zu stabilisieren und die Ressourcen zu stärken?“ Dabei kann es um

  • das Erlernen eines neuen Verhaltens (zum Beispiel bewusst gemeinsam Pausen machen – Aspekt „Person“) oder
  • das Gestalten von Systemen und Kulturen (zum Beispiel Neuorganisation der Postverteilung – Aspekt „Organisation und Führung“) oder
  • das aktive Gestalten der Teamsituation (zum Beispiel Vertreterregelung konsequent leben – Aspekt „Situation“)

gehen. Entscheidend für den Erfolg dieser Workshops war, dass die Stellschrauben definiert und Maßnahmen gemeinsam und im Dialog entwickelt wurden, für deren Umsetzung die beteiligten Führungskräfte dann natürlich den Raum sowie die Zeit und Priorität schaffen mussten.

Aufschlussreiche Projekterkenntnisse

Bei Schwäbisch Hall fanden innerhalb von zwei Jahren über 120 Workshops mit rund 1.800 Mit­arbeitern statt, umfangreiche teamspezifische Maßnahmen wurden umgesetzt und ein Dutzend bereichsübergreifende Maßnahmen identifiziert. Die Akzeptanz des gewählten Vorgehens war groß, was auch die Change-Multiplikatoren aus den Teams bestätigten. Sie wurden zu Beginn des Projekts installiert und trafen sich im Projektverlauf regelmäßig, um Erfahrungen und Best Practice-Ansätze auszutauschen.

Eine im November 2014 durchgeführte Mitarbeiterbefragung zeigte bereits erste Erfolge: Die subjektiv empfundene Arbeitsbe­lastung hat in den betroffenen Einheiten deutlich abgenom­men, und die Mitarbeiter stellen den Führungskräften ein gutes Zeugnis bei der Unterstützung der individuellen Balance aus. Außerdem ist die Bekanntheit und Nutzung der vielfältigen Angebote des Gesundheitsmanagements von Schwäbisch Hall und die Zufriedenheit mit ihnen nochmals deutlich gestiegen. Auch die Krankheitsquote ist in der Tendenz rückläufig.

Dauerhafter Prozess sichert Nachhaltigkeit

Um eine dauerhafte Haltungs- und Verhaltensänderung zu erzielen, war das Projekt ein erster wichtiger Schritt. In ihm wurde auch eine Vielzahl von Instrumenten für die Anwen­dung im Team entwickelt – zum Beispiel Leitfäden für die Teamentwicklung, Workshop-Formate und Führungsdialoge, die nach Projektabschluss als Standardinstrumente verfügbar sind. Im Jahresgespräch zwischen Mitarbeiter und Führungskraft ist verankert, dass die individuell empfundene Belastungssituation angesprochen wird.

Die konkreten Maßnahmen und Angebote des Gesundheitsmanagements wurden auf Basis dieser Erfahrungen komplett überarbeitet und folgen nun der Logik von „Balance leben“. Der Fokus liegt heute

  • auf der individuellen Gesunderhaltung („Mein Leben in Balance“), zum Beispiel durch eine Vielfalt von Kursen im betriebseigenen Gesundheitszentrum,
  • auf einem gesunden Führungs­verhalten („Führung in Balance“) durch eine Sensibilisierung der Führungskräfte und
  • auf einer gesundheitsförderlichen Teamsituation („Team in Balance“), die durch Workshops zur Ergonomie oder Arbeitsbelastung gestärkt werden kann (Grafik 3).

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Fazit

Mit dem PSO-Modell werden aus unterschiedlichen Disziplinen bekannte Stellhebel sinnvoll kombiniert. Erst diese ganzheitliche Betrachtung, die die Aktivitäten des Gesundheitsmanagements mit Maßnahmen zur Personal- und Organisationsentwicklung verbindet, schafft nach den Erfahrungen bei Schwäbisch Hall eine nachhaltige Wirkung, die die Arbeitszufriedenheit und langfristig die „Gesund­heitsquote“ positiv beeinflusst. Die stärkste Bestätigung für diese These ergab die Mitarbeiterbefragung und kam somit von den Betroffenen selbst.

Der Erfolg des Balance-Konzepts basiert auf einer gemeinsamen Haltung aller Beteiligten und einem intensiven Dialog an der Stelle, an der die Arbeitsbe­lastung erlebt wird: im Team. Die besondere Verantwortung des Unternehmens ist es, diesen Dialog zu ermöglichen. Dazu gehört die Akzeptanz, dass auch der Themenkomplex „Arbeitsbelastung“ als Teil der betrieblichen Realität angesprochen werden muss – ebenso die Überzeugung und Bereitschaft, für deren Reduzierung Zeit und Geld zu investieren. Das stärkt im Ergebnis die Wettbewerbs­fähigkeit des Unternehmens dauerhaft.

Über die Autorin:

Stephanie Danhof ist Abteilungsleiterin Personalentwicklung und Ausbildung bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall.

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